Mit neuem (Interims)Trainer und einem 2:1 gegen einen erstaunlich schwachen VfL Wolfsburg meldet sich Werder Bremen am 5. Spieltag also in der Bundesliga-Saison 2016/17 an. Dass der erste Erfolg erst in den Schlussminuten bzw. der Nachspielzeit zustande kam, ist dabei nebensächlich, da noch am Mittwoch ein möglicher Dreier gegen Mainz 05 (1:2) im selben Zeitraum verspielt wurde. So ist Fußball, würde Viktor Skripnik sagen, und damit hätte er mal Recht.
Nouri, zu Wochenbeginn als Skripnik-Nachfolger inthronisiert, tat genau das, was Interimstrainer eben so machen: Er nahm Einfluss auf das Team (wie auch Skripnik damals, als er Robin Dutt beerbte). Konkrete Maßnahmen von Nouri: Die Mannschaft starkreden, formschwache Spieler streichen, Talente reinschmeißen und vor allem die Abläufe vereinfachen. Erst gegen Mainz, nun nochmals verbessert gegen Wolfsburg ließ Nouri sein Werder-Team vor allem einfache Dinge tun. Möglichst konsequent verteidigen, diszipliniert und eher tief gestaffelt stehen, dann schnell umschalten und schauen, was nach vorne so geht. Und es ging durchaus einiges, ganz ohne Hexenwerk.
Der „Trainereffekt“ war bereits gegen Mainz erkennbar, gegen den VfL, der in Bremen sehr schwach auftrat, brachte er dann die ersten Punkte der Saison und eine Art emotionale Trendwende für Mannschaft, Verein und Stadt. Ob das nun reicht, damit Nouri das „Interims“ vor seinem Amt streichen darf? Dafür gibt es sicher Gründe, dagegen aber auch. Sollte man sich als Verein vom Trainereffekt leiten lassen, von den Emotionen im Weserstadion nach dem erlösenden Sieg gegen Wolfsburg? Oder muss eine Trainerentscheidung an anderen Kriterien gemessen werden? Und wenn ja, an welchen? Und hat Nouri diese anderen Kriterien mehr oder weniger als mögliche andere Kandidaten?
Ich kann alle Fragen getrost mit „keine Ahnung“ beantworten – und darf das auch gottseidank, denn ich bin ja kein Entscheider bei Werder Bremen. Gut so, denke ich mir da, denn ich wüsste es nicht, immer diese Entscheidungen, von denen dann sportlich wieder ein paar Jahre abhängen (mal abgesehen vom Glück [Wolfsburg] oder Pech [Mainz]). Man kann Frank Baumann und Co. da nur ein gutes Händchen und das nötige Glück wünschen. Ich halte mich jedenfalls inhaltlich aus den Trainerdebatten raus und mache lieber Alexander Nouri ein dickes Kompliment für seine Arbeit in den letzten sechs Tagen (ohne mich damit in der Trainerfrage zu positionieren). Diese Arbeit kann man bewerten, in Ergebnissen und Eindrücken. Und ich bewerte es sehr positiv. Für Werder Bremen war das ein großer Schritt nach vorne, nicht nur wegen der drei Punkte. Die Mannschaft hat gezeigt, dass trotz der vielen Ausfälle mit ihr zu rechnen ist – im Rahmen der Möglichkeiten, die Vereine wie Werder eben haben. Auf Augenhöhe mit acht bis zehn anderen Bundesligisten. Den Schritt hat Bremen nun, mit einigen Wochen Verspätung, gemacht.
Die Einzelkritik gegen Wolfsburg:
Drobny: Hielt, was zu halten war, was er aber auch halten musste, weil nix Unhaltbares dabei war. Klingt kompliziert, war es aber gar nicht. Eher ein ruhiger Abend. Note 3
Gebre Selassie: Sein mit Abstand bestes Saisonspiel. Den Satz lege ich mit jetzt auf StrgV, denn das gilt für jeden Bremer. Mich freut sein Siegtor sehr, ich mag Theo ja als Typen und als Spieler. Auch sonst eine ordentliche Partie mit erstaunlich viel Offensivdrang. Note 2,5
Veljkovic: Hat mir gut gefallen, auch wenn Wolfsburg ihn jetzt nicht sooo sehr gefordert hat. Schöne kurze Pässe im Spielaufbau, gutes Auge für das Spiel – um Längen besser als Diagne zuletzt. Note 3
Moisander: Sein Kopfball aus sechs Metern in den Bremer Nachthimmel in der Anfangsphase war recht peinlich, ansonten machte der Finne hinten aber einen souveränen Eindruck. Auch er war wie Nebenmann Veljkovic recht passicher im Aufbau, aber auch er hatte kaum mal Druck vom Gegner. Note 3,5
Bauer: Für sein Eigentor gibt es von weder Kritik nach Abzüge in der Note, das kann halt passieren im Fußball. Ansonsten ein solides Spiel auf links. Note 3,5
Grillitsch: So langsam kommt er wieder in Form – und das ist für das Werder-Spiel insgesamt Gold wert. Mit guten Szenen vorne und hinten, gerade im Spielverlauf immer mehr gute Pässe im Aufbau. Weiter so, bitte! Note 2,5
Fritz: Bärenstark im Zweikampf, enorm präsent auf dem Rasen. Leider gibt es ein Manko beim Kapitän: Zu oft folgen nach Ballgewinnen wieder Fehlpässe, zu oft trifft er in aussichtstreichen Situationen die falsche Entscheidung oder spielt einen ungenauen Pass. Heute gegen Wolfsburg auch wieder beobachtbar, aber am Ende nebensächlich. Note 3
Schmidt (eingewechselt für Fritz): Toll, wie Nouri die Youngster ins kalte Bundesliga-Wasser wirft. Und einige davon werden sich sicher freispielen. Seine Ecke führte zum 2:1-Siegtor, der Eckball davor war allerdings ganz schwach – aber so ist das nun mal mit den Talenten. Nicht zu benoten
Junuzovic: Ich bin ja Fan von Juno und glaube, dass Werder nur dann Erfolg haben wird, wenn Juno wieder in Topform kommt. Heute habe ich gesehen, dass es auch anders geht. Junuzovic war eher ein fleißiger und laufstarker Mitläufer, der sich in den Dienst der Mannschaft gestellt hat. Note 3,5
Hajrovic: Seit Nouri den untalentierten Bruder gegen das Original ausgetauscht hat, verstehe ich Hajrovic immer mehr. Ein Tempodribbler, der es gerne mal übertreibt, eigentlich nicht mein Spielertyp, ABER: Solange Werders Offensivstrukturen noch so überschaubar sind wie aktuell, muss es wohl oft über Eins-gegen-Eins-Duelle gehen. Und das ist Hajrovic derzeit eine gute Option, vor seinem Comeback ziehe ich jedenfalls den Hut, auch wenn gegen den VfL mehr schiefging als gelang. Note 3,5
Fröde (eingewechselt für Hajrovic): Durfte das Siegtor noch auf dem Rasen miterleben. Nicht zu benoten
Gnabry: Überragender Autritt, einmal mehr. Der Junge ist bis oben hin voller Selbstvertrauen und traut sich alles zu – und davon gelingt auch noch sehr viel. Kurbelt an, passt, bringt Tempo und schließt auch noch selber ab. Ist aktuell DER Faktor in Bremens Offensive, schon jetzt nicht mehr wegzudenken. Note 2
Manneh: Ein sehr interessanter Spielertyp. Rieb sich auf, machte jede Menge Meter und war ein stets unangenehmer Gegenspieler für die VfL-Abwehrleute. Sehr ordentlicher Auftritt, noch etwas besser als zuletzt gegen Mainz. Ein Talent mit Perspektive. Note 3
Thy (eingewechselt für Manneh): Sein Hammer zum 1:1 leitete die Wende in der Schlussphase ein, es war sein erstes Bundesliga-Tor überhaupt. Bislang hinterließ Thy überhaupt keinen Eindruck auf mich, heute aber darf und muss er hier auch mal gelobt werden – und sei es nur für sein Tor. Note 3